Kern des Gebets

Kern des Gebets

„Der Herr ist denen nahe, die zu ihm beten und es ehrlich meinen.“
Psalm 145,18

Gebet kann manchmal so frustrierend sein! Du betest intensiv und ausdauernd für ein Anliegen und irgendwie passiert nichts. Mit der Zeit läufst du Gefahr, den Glauben aufzugeben, dass sich wirklich etwas zum Guten verändert. Schlimmstenfalls hörst du auf, dafür zu beten. Dann liest du Bibelstellen wie: Wenn ich im Glauben um etwas bitte, werdet ich es erhalten, was immer es auch sei (vgl. Matthäus 21,22), und fragst dich: Habe ich vielleicht ein Glaubensproblem? An diesem Punkt setzen dann die Erklärungen der christlichen Schriftsteller an, die sagen: 

Dein Glaube ist zu schwach; du musst diese Bibelstelle im Kontext lesen; es geht nur um Gebete die im Sinne Gottes sind und seinen Willen widerspiegeln; dein Gebet hat keine Kraft, weil du nicht Gottes Willen tust; es gibt eine offene oder verborgene Sünde in deinem Leben; du hast jemandem nicht vergeben; dein Gebet ist nicht konkret genugGott ist kein Selbstbedienungsladen; Gott ist souverän; es herrscht ein geistlicher Kampf, deshalb braucht es noch Zeit; du musst so beten, als ob Gott dein Gebet schon erfüllt hätte; du musst mehr Dankbarkeit zeigen, und, und, und …

Das ist alles richtig, es bedeutet aber für mich, dass ich es letztendlich immer selbst verbockt habe, wenn mein Gebet nicht erhört wird. Die Begründungen mögen ja alle zutreffen und man kann sie auch mit vielen Bibelstellen untermauern, aber ich finde es trotzdem sehr frustrierend. Eigentlich steht da immer: Selbst schuld und selber doof. Wozu bete ich dann überhaupt? Werden meine Gebete erst erhört, wenn alles perfekt ist – also im Paradies? (Beten wir dort aber überhaupt noch?) 

Wenn ich das alles beachte, befinde ich mich, realistisch betrachtet, wohl ganz selten in einem Zustand, der alles umfasst, sodass mein Gebet erhört wird. Immer fehlt ein Punkt auf der perfekten Gebetshaltungscheckliste. Und wenn ich alle erfülle, findet bestimmt ein weiser geistlicher Lehrer wieder eine biblische Begründung, was ich vielleicht noch falsch gemacht habe.  

Manchmal passiert sogar genau das Gegenteil deines Gebets. Du ringst im Gebet um deine Ehe, und deine Frau haut trotzdem mit dem anderen Typen ab. Du bittest um Heilung, und dein Gesundheitszustand verschlechtert sich beständig. Du flehst Gott an, dass Jesus in den Herzen deiner Eltern oder Geschwister Platz findet, und sie öffnen sich für fernöstliche Religionen und deren spirituelle Übungen. Dann kommt die ultimative Erklärung: Gott hat den Menschen den freien Willen geschenkt. Oder: Wir leben in einer gefallenen Welt und es ist alles Folge des Sündenfalls.

Nicht hilfreich, wenig tröstlich und keine Motivation, weiter zu beten. Offen gesagt, manche Erklärungen lassen Gott ziemlich inkompetent wirken und nicht allmächtig. Bestimmt gibt es einen Grund, wir kennen ihn häufig nur nicht. Vieles, was wir zu hören bekommen, sind gutgemeinte menschliche Erklärungsmodelle. Ich rätsle selbst oft herum. Manchmal schenkt mir Gott eine Erkenntnis, manchmal ist es sehr offensichtlich, warum mein Gebet gerade nicht so kraftvoll ist, und oft habe ich schlichtweg keinen blassen Schimmer. 

Das Schöne ist: Gott erhört Gebete – es wird etwas passieren! Er wirkt, auch wenn wir nicht alle Punkte einhalten können, die man für ein erfolgreiches Gebet benötigt. Wenn wir in Sünde verstrickt sind, wenn wir nur wenige Worte herausbringen, nicht konkret genug sind, zweifeln, und auch wenn wir uns nicht fragen, ob unser Gebet gerade Gottes Willen entspricht. 

Stell dir einmal vor, deine Gebete würden nur erhört werden, wenn du allen vergeben hättest! Dann würde es wohl schlecht um die Christenheit stehen. Wir wissen manchmal ja gar nicht, dass es noch Unvergebenes in unserem Leben gibt, weil es tief in unserer verletzten Seele vergraben ist! Vielleicht wirkt Gott trotz unserer Gebete? 

Wir dürfen nie vergessen und sollten das auch wirklich verinnerlichen: Gott liebt uns! In Matthäus 7,9 ff. wird das sehr plastisch beschrieben: „Würde etwa jemand von euch seinem Kind einen Stein geben, wenn es um ein Stück Brot bittet? Oder eine Schlange, wenn es um einen Fisch bittet? Trotz all eurer Bosheit wisst ihr Menschen doch, was gut für eure Kinder ist, und gebt es ihnen. Wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes schenken, die ihn darum bitten!“ Er ist unser liebender Vater im Himmel, er will uns Gutes schenken und tut dies im Übermaß, selbst wenn wir gar nicht darum gebeten haben. 

Wenn du Kinder hast, weißt du genau, dass du eine andere Definition von „gut“ hast, als deine Kinder. Sie finden täglichen Süßigkeiten-Genuss super. Je mehr, desto besser! Jedenfalls ist das bei meinen Kindern so. Ich denke, dir geht es wie mir, du findest das nicht so optimal, weil es auf der Hand liegt, dass es den Körper schädigt und auf Dauer krank macht. Wenn du deinem Kind eine gesunde Alternative anbietest, könnte es vorwurfsvoll sagen: Papa, ich habe dich um Süßigkeiten gebeten – aber du schenkst mir einen Apfel. Das erlebe ich bei mir genauso mit Gott, weil er aufgrund seiner Weisheit, Allwissenheit und seiner Kenntnis der Zukunft eine ganz andere Definition von „gut für mich“ hat, als ich selbst. Er ist unendlich viel kompetenter als ich.

Bevor du jetzt aufhörst zu lesen und sagst: „Danke für das neue Erklärungsmodell, warum meine Gebete nicht erhört werden, das motiviert mich jetzt auch nicht mehr zum Gebet als bisher“, versuche ich noch die Kurve zu kriegen. Mir geht es um die Ausgangsvoraussetzungen für unser Gebet. Betrachten wir mal die Fakten: 

  • Gott erhört Gebete, auch wenn wir nicht christlich-optimal aufgestellt sind. 
  • Er liebt uns und meint es gut mit uns. 
  • Er ist in allen Belangen kompetenter und weitsichtiger als wir. 
  • Er möchte, dass wir beten. „Lasst euch durch nichts vom Gebet abbringen und vergesst dabei nicht, Gott zu danken“ (Kolosser 4,2).
  • Er will, dass wir beständig und beharrlich beten (vgl. 1. Timotheus 2,1-2). 

Nicht weil er es braucht, sondern weil es gut für uns ist. Gott hat unsere Gebete nicht nötig, wir definitiv schon. 

Ich glaube, im Kern geht es beim Gebet um Vertrauen. Gott wirklich zu vertrauen ist Glaube. Das Beten an sich tut uns gut, egal ob dabei etwas für uns Wahrnehmbares passiert oder nicht. Danken ist heilsam, denn es verändert unsere Herzenshaltung und unseren Blick auf die Dinge. Gott zu sagen, wie großartig er ist und ihn zu loben, für das was er alles getan hat, ist gut für uns. Gott tut uns einfach gut.

Wenn wir mit Jesus in Verbindung sind und den Kanal zu ihm öffnen, ist das ein Segen für uns und unser Leben. Einfach nur weil ich es mache und bevor ich eine einzige Bitte ausgesprochen habe. Je mehr Raum wir Gott in unseren Gedanken und Herzen geben, desto mehr dürfen wir Frieden, innere Heilung, Freude und vieles andere erfahren. Nicht wenige Menschen sind körperlich geheilt worden, weil sie einfach angefangen haben, regelmäßige Dankgebete zu sprechen.

Gebetserhörung ist ein Nebenprodukt. Vielleicht kannst du hier dein Mindset verändern: Dein Gebet an sich ist für dich wichtig und gut. Der reine Akt des Gebetes aktiviert deine Verbindung zu Jesus, die wiederum schlichtweg ein Segen für dich ist – fernab von irgendwelchen gewünschten oder ersehnten Ergebnissen. Lass sich das bitte einmal innerlich setzen und lies nicht nur einfach darüber. Dein Gebet an sich ist für dich wichtig und gut. Gebetserhörung ist ein Nebenprodukt. Kannst du das glauben und darauf vertrauen?

Wenn dein Gebet scheinbar nichts bringt oder dir kraftlos erscheint, kann dieses neue Mindset sehr tröstlich sein, Hoffnung schenken und Mut machen, dran zu bleiben. Es gibt Augenblicke, da scheint sich die Welt gegen dich verschworen zu haben – was durchaus der Fall sein kann, wenn man bedenkt, wer die Welt beherrscht (siehe 1. Johannes 4,4). Sollte gar das Gegenteil dessen passieren, wofür du betest, ruf dir ins Gedächtnis: Dein Gebet tut dir gut und hat eine Segenswirkung auf dich. Es verändert dich, weil du dadurch Gott nahekommst und etwas von seiner Herrlichkeit auf dich abstrahlt.

Fokussiere dich auf Gott und nicht auf die ersehnten Wunder. Aus einer aufrichtigen Begegnung mit Gott entstehen automatisch Wunder. Gott ist allmächtig, deshalb sind Wunder etwas ganz Normales für ihn – sie passieren in seiner Gegenwart einfach. 

Gott kennt dein Herz besser als du selbst und weiß schon, bevor du es aussprichst, was du brauchst. Du musst es nicht einmal unbedingt aussprechen oder eine Form wahren. Vertraue darauf, dass er – der soviel weitsichtiger ist und dich darüber hinaus noch liebt, wie es kein Mensch auf dieser Erde kann – ganz genau weiß, was, wann und in welcher Priorität du etwas dringend benötigst. Wenn die Begegnung mit Gott der Kern deines Gebetslebens ist, werden die Erhörungen zur Nebensache und geschehen einfach. Und sollte dein Gebet scheinbar keine Auswirkungen in der sichtbaren Welt haben, dann darf dir klar sein, dass Nähe und heilsame Begegnungen mit ihm immer möglich sind. Vielleicht ist das ja der wahre Kern des Gebets.